„Globales Lernen in Schulpartnerschaften“

Netzwerk „Deutsch-namibische Partnerschaften der Zukunft“

Schulpartnerschaften mit einem außereuropäischen Land wie Namibia sind unglaublich bereichernd: Sie ermöglichen es den Schüler:innen, tief in das Alltagsleben eines fremden Kontinents einzutauchen. Dabei erwerben sie interkulturelle Kompetenzen und entwickeln ein globales Bewusstsein. Doch für die Organisator:innen bringt ein solcher Austausch auch jede Menge Herausforderungen mit sich: Hohe Reisekosten, Berge von Bürokratie und auch schon einmal das ein oder andere ideologische Fettnäpfchen gilt es zu bewältigen. In dem Netzwerk „Deutsch-namibische Partnerschaften der Zukunft“ meistern Schulen und Partnerinstitutionen in NRW diese gemeinsam. Sie unterstützen sich bei allen wichtigen Fragen rund um ihre Partnerschaften mit namibischen Schulen.

Schulpartnerschaften mit Namibia

Deutschland und Namibia verbindet eine bewegte Geschichte. Vor über hundert Jahren war das Land im Süden Afrikas deutsche Kolonie. In den Jahren 1904 bis 1908 schlugen die deutschen Kolonialtruppen den bewaffneten Widerstand der einheimischen Volksgruppen der Herero und Nama blutig nieder. Dies gipfelte in einem Völkermord. Mehrere Zehntausend Herero und Nama wurden von deutschen Soldaten getötet.

Seit vielen Jahren engagieren sich zahlreiche Schulen in NRW für den Versöhnungsprozess. Sie pflegen enge Partnerschaften mit Schulen in Namibia und blicken mit ihnen gemeinsam in die Zukunft. In Austauschreisen besuchen sich deutsche und namibische Schüler:innen und lernen die Kultur und Lebensweise auf dem jeweils anderen, fremden Kontinent kennen. Oft arbeiten sie in gemeinsamen Projekten zur Entwicklungszusammenarbeit und zum Umweltschutz. So zimmern sie zusammen neue Tischtennisplatten, Hochbeete für den Schulgarten oder konstruieren Ventilatoren, die mit Solarenergie antrieben werden.

Von der Idee zum Netzwerk

Die ersten Fäden des Netzwerks wurden 2016 beim Start der neuen Kampagne „Schule der Zukunft“ geknüpft. Als frischgebackene Regionalkoordinatoren für den Regierungsbezirk Münster lernten sich dabei die beiden Lehrkräfte Thomas Worringer und Christoph Lammen kennen. Wie es der Zufall so wollte, leiteten beide einen Schüleraustausch mit Namibia – Thomas Worringer an der Euregio Gesamtschule Rheine, Christoph Lammen am Schillergymnasium Münster. Und damit waren sie nicht allein. Das wurde ihnen bei der Durchsicht der Anmeldeunterlagen der Schulen für „Schule der Zukunft“ rasch klar. Vielmehr pflegen viele Schulen in NRW Partnerschaften mit Schulen und anderen Einrichtungen in Namibia.

Daraus entstand die Idee, ein gemeinsames Netzwerk für deutsch-namibische Schulpartnerschaften in NRW zu gründen. Das Ziel: Die Schulen sollten die Möglichkeit erhalten, sich gegenseitig bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sowohl bei inhaltlichen als auch bei organisatorischen Fragen.

Ihren Plan setzten die beiden Regionalkoordinatoren prompt in die Tat um. Sie schrieben alle Schulen in NRW an, die Partnerschaften mit Schulen und anderen Einrichtungen in Namibia pflegten. Ihre Anfrage zum Austausch in einem gemeinsamen Netzwerk stieß bei den Schulen auf großes Interesse.

Damit war der Grundstein für das Netzwerk „Deutsch-namibische Partnerschaften der Zukunft“ gelegt. 2018 fand das Gründungstreffen in Münster statt. Dort beschlossen die Lehrkräfte aus fünf Schulen und einige außerschulische Partner:innen gemeinsam die Leitlinien für die zukünftige Zusammenarbeit. Die Koordination und Organisation des Netzwerks übernahmen Thomas Worringer und Christoph Lammen.

Die Schulen im Netzwerk und ihre Projekte mit den namibischen Partner:innen sind äußerst vielfältig. Die Altersspanne der Schüler:innen reicht von der Grundschule bis zum Berufskolleg. Manche Schulen arbeiten inklusiv, die Schwerpunkte der Arbeit liegen beispielsweise auf gemeinsamen Sport- oder BNE-Aktivitäten. Neben den Schulen sind auch gemeinnützige Vereine, Kommunen und kommunale Einrichtungen wie Kirchenkreise im Netzwerk vertreten. Sie unterstützen die deutschen und namibischen Schulen bei ihren Begegnungen.

Einblicke in die Netzwerkarbeit

Den Kern der gemeinsamen Arbeit bilden die Netzwerktreffen. Einmal im Halbjahr finden sich alle Mitglieder zu einem gemeinsamen Austausch an jeweils einer anderen der Netzwerkschule ein. Die Treffen sind sehr beliebt und gut besucht – oft kommen ganz spontan noch weitere Kolleg:innen mit, die nicht auf der Anmeldeliste stehen. Denn die Neugier, welche Impulse sich für die eigenen Begegnungen aus der Netzwerk-Runde ziehen lassen, ist groß. Oft haben einige Teilnehmer:innen auch aktuell gültige Vorlagen für Reiseformulare oder andere nützliche Materialien mit im Gepäck. Diese stellen sie dann den anderen Netzwerkmitgliedern zur Verfügung.

Im Mittelpunkt der Netzwerktreffen stehen Fragen, die in der Praxis immer wieder auftauchen. So diskutieren die Teilnehmer:innen zum Beispiel, wie sich die Begegnung mit den Afrikaner:innen möglichst auf Augenhöhe gestalten lässt. Denn aufgrund des großen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen den Deutschen und ihren namibischen Partner:innen ist dies in der Praxis gar nicht so einfach.
Diskutiert wird auch immer wieder, wie sich Projekte und Aktionen zum Versöhnungsprozess vor dem Hintergrund des deutschen Völkermords an den Herero und Nama initiieren lassen. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn im Gegensatz zu den deutschen Schulen ist dieses Thema für die namibischen Schüler:innen oft überhaupt nicht von Belang.

Aber auch BNE ist Gegenstand der Netzwerktreffen. So tauschen sich die Netzwerkmitglieder darüber aus, wie sich die 17 SDGs noch stärker in ihre Projekte einbinden lassen. Oder wie sie möglichst viele Dimensionen von BNE in einem Projekt miteinander verknüpfen können – ohne sich dabei zu verzetteln.

Ebenso wichtig wie die inhaltlichen sind organisatorische Aspekte. Im Fokus stehen dabei bürokratische und finanzielle Herausforderungen. Eine Reise mit deutschen Schüler:innen nach Namibia lässt sich relativ einfach durchführen – doch umgekehrt wird es kompliziert. Denn die Flugtickets sind für die Namibier:innen schier unerschwinglich und das Einholen von Visa für minderjährige Schüler:innen in Namibia gestaltet sich oft als schwierig. Hinzu kommt, dass sich die Ein- und Ausreisevorschriften permanent verändern.

Um die bürokratischen Hürden zu überwinden, arbeiten die Netzwerkmitglieder eng zusammen. Äußerst hilfreich sind dabei persönliche Kontakte, die viele von ihnen ihm Laufe der Zeit geknüpft haben. Beispielsweise verfügt Herr Lammen über gute Beziehungen zu einigen namibischen Ministerien und der deutschen Botschaft in Windhoek. Von dem guten Draht zu den Ansprechpartner:innen in den Behörden profitiert das ganze Netzwerk. Zum Beispiel wird das Einholen der Visa dadurch vereinfacht.

Aber auch bei der Finanzierung der Austauschreisen unterstützen sich die Netzwerkmitglieder gegenseitig. Sie loten gemeinsam aus, wo und wie sie Förderanträge stellen können oder welche Möglichkeiten sich beispielsweise zum Fundraising ergeben.

Darüber hinaus stimmt sich das Netzwerk in vielen weiteren Angelegenheiten rund um die Schulpartnerschaften ab. Zum Beispiel bei der Öffentlichkeitsarbeit oder der Frage, wie sich Schulleben, Unterricht und Projektarbeit gut miteinander verknüpfen lassen.

Qualifizierung und Unterstützung

Das Netzwerk agiert nicht für sich allein. Vielmehr erhält es von vielen Seiten Unterstützung. Viele Netzwerkmitglieder qualifizieren sich für ihre Schulpartnerschaften mithilfe von Veranstaltungen der UNESCO-Projektschulen und des Landesprogramms „Schule der Zukunft“. Bereits kurz nach dem Start konnte sich das Netzwerk auch schon über die erste Auszeichnung freuen: 2020 wurde es als „Netzwerk der Zukunft“ ausgezeichnet.

Für die Finanzierung der Begegnungen spielt Engagement Global eine ganz zentrale Rolle. Viele Begegnungen mit den namibischen Schüler:innen konnten bisher dank finanzieller Förderung durch das ENSA-Programm und den Konkreten Friedensdienst NRW durchgeführt werden.
Aber auch die namibische Regierung unterstützt die Schulpartnerschaften auf vielfältige Art und Weise. Beispielsweise bietet sie für Reisegruppen des Netzwerks vergünstigte Flüge mit Air Namibia an.

Ausblick in die Zukunft

Bei den Schulen in NRW stieß die Idee zur Vernetzung auf ein großes Interesse. Innerhalb kurzer Zeit ist das Netzwerk stark gewachsen. Ein „Limit“ nach oben gibt es nicht. Vielmehr freut sich das Netzwerk über alle weiteren Schulen mit deutsch-namibischen Austauschprojekten in NRW, die mitmachen.

Für die Zukunft hat das Netzwerk einen großen Plan: Es möchte die Partner-Schulen in Namibia bei dem Aufbau eines eigenen, parallelen Netzwerks unterstützen. Denn eine stärkere Vernetzung untereinander würde auch für die namibischen Schulen viele Dinge bei der Organisation der Schulpartnerschaften erleichtern. Die Größe des Landes, die teilweise fehlende Infrastruktur und stark ausgeprägte Hierarchien in Namibia sind einige Herausforderungen, die es dabei zu bewältigen gilt.

Wie so viele andere Aktivitäten mussten die Austauschreisen und auch große Teile der Netzwerkarbeit während der Corona-Pandemie zwangsläufig pausieren. Doch alle Mitglieder freuen sich darauf, so bald wie möglich die inspirierende Arbeit im Netzwerk und mit ihren namibischen Partner:innen vor Ort fortsetzen zu können.


 

Ansprechpartner:

Thomas Worringer

Tel.: 01512/9902625

E-Mail: Thomas.Worringer@eur.rheine.schule

Schule:

Euregio Gesamtschule Rheine

Ludwigstraße 37

48429 Rheine

Weitere Good-Practice-Beispiele für BNE-Netzwerke:

Hier finden Sie Good-Practice-Beispiele einiger BNE-Netzwerke in NRW. Die Netzwerke besitzen meist einen regionalen Bezug und widmen sich ganz unterschiedlichen BNE-Themenfeldern.

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