„Wir machen uns stark für die Zukunft! Zusammen fair vor Ort und in der Welt“

Globales Lernen und Fair Trade an der Euregio Gesamtschule Rheine

Die hellen, offenen Gebäude der Euregio Gesamtschule liegen mitten im Herzen von Rheine. Über 1.000 Schüler:innen finden hier viel Platz zum gemeinsamen Leben und Lernen. Im Laufe der Zeit ist die Ganztagsschule stetig gewachsen, immer wieder wurden neue Gebäude angebaut. Genauso sind auch die Aktivitäten rund um das Globale Lernen und den Fairen Handel stetig weitergewachsen und haben immer stärker Einzug in das Schulleben gehalten.

Inzwischen gehört „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) zum festen Bestandteil des Schulprofils. Fair gehandelte Schoko-Nikoläuse, saisonale und regionale Mensa-Menüs, ein Schüler:innenaustausch mit Namibia und viele Projekte in und außerhalb der Unterrichtszeit lassen die Schule zu einem lebendigen Lernort für globales und nachhaltiges Handeln werden.

Vom Fußball zur Schulpartnerschaft mit Namibia

Alles fing mit einem Zufall an: Ob sie nicht an einer Partnerschaft mit einer Schule in Namibia interessiert sei, fragte der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen 2009 die damalige Schulleiterin der Euregio Gesamtschule. Diese war von der Idee begeistert. Schnell fand sich ein junger, engagierter Kollege, der noch relativ neu an der Schule war, und nahm das Projekt in die Hand.

Partnerschule wurde die De Duine Secondary School in Walvis Bay, Namibia. Schon schnell merkten die deutschen und afrikanischen Organisatoren, dass die „Chemie“ zwischen ihnen stimmte. Mit den Worten „No begging“ stellte der afrikanische Schulleiter gleich bei seinem ersten Besuch in Rheine klar, dass es ihm nicht um finanzielle Unterstützung durch die deutsche Partnerschule ging. Vielmehr sollte im Mittelpunkt der Partnerschaft das gemeinsame interkulturelle und globale Lernen stehen – miteinander und voneinander.

Der treibende Motor für die Schulpartnerschaft an der Euregio Gesamtschule ist die Namibia-AG, die bunt aus Schüler:innen aller Jahrgangstufen zusammengewürfelt ist. Im Mittelpunkt steht dabei der regelmäßige Kontakt und Austausch mit den namibischen Schüler:innen. Darüber hinaus werden viele Aktionen und Projekte, wie zum Beispiel Sponsorenläufe, auf die Beine gestellt.

Ein zentrales Anliegen der Namibia-AG ist es, auch den anderen Schüler:innen in Rheine das Leben und die Kultur ihrer afrikanischen Schulpartner:innen nahezubringen. In Glasvitrinen werden getöpferte, gedruckte und andere handwerklich gefertigte Erzeugnisse ausgestellt. Die Impulse gehen dabei oft von den Aktivitäten der Partnerschule aus: Als die namibischen Schüler:innen Bänke aus Beton gießen wollte, nahm die AG dies als Anlass, mithilfe der gleichen Technik weihnachtliche Windlichter, Schalen und kleine Tannenbäume herzustellen.
Die Namibia-AG initiiert auch Aktionen mit namibische Künstler:innen. So holten Schüler:innen den deutsch-namibischen Popstar Ees zu einem Konzert auf die Bühne und stellten mit dem namibischen Künstler Alpheus Mvula in Cardboard Printing-Technik farbfrohe Drucke her.

Schüler:innenaustausch dank Förderpreis

Doch auf eine echte Begegnung mit ihren namibischen Austauschpartner:innen mussten die Schüler:innen der Euregio Gesamtschule lange warten, zu groß waren die finanziellen Hürden.  

Doch 2016 gelang endlich der Durchbruch. Die Euregio Gesamtschule hatte sich beim Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik „alle für EINE WELT für alle“ beworben – und hatte Erfolg. Für ihre gesamten Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit erhielt die Schule den Schulpreis für Entwicklungspolitik des Bundespräsidenten. Dabei gab es gleich doppelten Grund zur Freude, denn die Schule gewann gleichzeitig den ENSA-Förderpreis, ein Preis des ENSA-Programms, das Begegnungsreisen zwischen Schüler:innen in Deutschland mit Partnerschulen in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Südosteuropa fördert.

Dank des Förderpreises konnten endlich Flugtickets gekauft werden. 2017 landete zum ersten Mal eine Gruppe namibischer Schüler:innen auf deutschem Boden. Vieles war für die afrikanischen Gäste zunächst fremd und ungewohnt. Die kleinteilige, dicht bebaute Landschaft erschien ihnen die im Vergleich zur unendlichen Weite der Namib-Wüste eng und erdrückend. Auch staunten die Afrikaner:innen über den schieren Überfluss an Wasser. Trotz der kulturellen Unterschiede fühlten sich die Schüler:innen in ihren Gastfamilien schnell wohl und erste Freundschaften wurden geknüpft.

Gleich im nächsten Jahr reiste eine kleine Gruppe deutscher Schüler:innen nach Namibia. Mit im Gepäck hatte sie Pläne zum Aufbau eines Jugendzentrums, doch es kam anders als gedacht: Bei der Ankunft der deutschen Schüler:innengruppe präsentierte der Schulleiter stolz den bereits fertigen Bau. Kurzentschlossen wurde umgeplant. Aus Paletten und alten Schulmöbeln zimmerten die Schüler:innen gemeinsam Hochbeete für einen Schulgarten.
Der Garten, hinter dessen Zaun direkt die Namib-Wüste beginnt, wurde zum Erfolgsprojekt. Besonders beliebt sind die angebauten Erdbeeren, in der Sonne so gut reifen, dass sie von den Schüler:innen vor Ort an Hotels und Pralinenhersteller verkauft werden.

Die inzwischen regelmäßig stattfindenden Austausch-Besuche haben der Schul-Partnerschaft eine neue Dynamik verliehen. Gleichzeitig hat sich dadurch auch der Blick vieler Schüler:innen auf in Deutschland lebenden Migrant:innen verändert, die Toleranz gegenüber kultureller Unterschiede ist gewachsen.

Fairer Handel

Seit 2013 trägt die Euregio-Gesamtschule das Siegel Fairtrade-School. Der erste Impuls dazu kam von einer 6. Klasse, die im Deutschunterricht eine Schulzeitung zum Thema Kinderarbeit erstellt hatte. Auch nach Abschluss des Projektes ließ die Schüler:innen das Thema nicht mehr los. Sie waren schockiert, dass viele Kinder in anderen Ländern für einen Hungerlohn in Steinbrüchen oder Kohlegruben arbeiten, mühsam Teppiche knüpfen und andere schwere und gefährliche Arbeiten verrichten.

Gemeinsam mit Eltern, Lehrkräften und Vertreter:innen des Mensavereins gründeten Schüler:innen unter der Leitung ihrer Deutschlehrerin ein Fairtrade-Schulteam, das sich für den fairen Handel an der Schule einsetzt und Aktionen plant.  
So verkaufen zum Beispiel Schüler:innen in den Pausen fair gehandelte Kekse, Tee und Orangensaft. Organisiert wird der Verkauf von einer nachhaltig wirtschaftenden Schüler:innenfirma. Diese wird durch Schüler:innen der 9./10. Klasse betrieben, die das Wahlpflichtfach „Berufseinstieg konkret“ gewählt haben. Durch die Arbeit in der Schüler:innenfirma erfahren sie ganz praktisch, wie ein nachhaltiges Wirtschaften unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte gelingen kann.

Auch in sämtlichen anderen Fächern und Jahrgangsstufen ist der Faire Handel Gegenstand des Unterrichts. Die Schüler:innen besuchen zum Beispiel den Weltladen Rheine oder setzen sich kreativ in Form von Filmprojekten und Ausstellungen mit dem Thema auseinander. In den schulinternen Lehrplänen für die Fächer Religion und Gesellschaftslehre ist das Thema sogar fest verankert.

Immer wieder sind Menschen aus aller Welt zu Gast an der Schule, wie zum Beispiel eine peruanische Bäuerin oder ein Baumwoll-Produzent aus Uganda. Sie geben den Schüler:innen hautnah Einblicke, unter welchen harten Produktionsbedingungen viele unserer alltäglichen Konsumgüter entstehen.

Ein Highlight sind die regelmäßig stattfindenden Besuche des „Hope Theatre“, einer Theatergruppe aus Nairobi (Kenia). Diese wurde mit jungen Erwachsenen aus Armenvierteln gegründet. Die Gruppe bringt Stücke zum Thema „wirtschaftliche und soziale Fairness“ auf die Bühne. Nach der Vorstellung treten die Schauspieler:innen in direkten Kontakt mit den Schüler:innen und bieten Aktivitäten wie zum Beispiel Tanzworkshops an.

Pläne für die Zukunft

Bereits mehrfach wurde die Euregio Gesamtschule als „Schule der Zukunft“ ausgezeichnet. Bildung für nachhaltige Entwicklung hat in viele Bereiche des Schullebens und sogar ins Schulprofil Einzug gehalten. Dennoch gibt es viele weitere Aufgaben für die Zukunft.

Eine davon ist, die Schulgebäude noch energieeffizienter zu gestalten. So sind die Flure zum Beispiel aus technischen Gründen immer beleuchtet und die Fenster lassen sich nicht zum Stoßlüften öffnen. Die größte Herausforderung ist es jedoch, alle Aktivitäten rund um BNE stärker zu bündeln und die einzelnen Akteur:innen noch besser miteinander zu vernetzen. Ebenso ist eine Bewerbung als UNESCO-Projektschule geplant.

Um die Koordination kümmert sich ein engagiertes BNE-Team, zu dem u. a. der Organisator der Schulpartnerschaft und die Koordinatorin der Fair Trade-Aktionen gehören. Große Unterstützung erfährt das Team von der Schulleitung, ohne die viele Aktionen und Projekte schlichtweg nicht möglich wären. Genauso wichtig ist jedoch die Unterstützung durch viele weitere helfende Hände der Kolleg:innen, Schüler:innen, Eltern und auch außerschulische Kooperationspartner wie die evangelischen Kirchengemeinde. Denn nur gemeinsam kann das große Ziel gelingen, das sich die Schule gesetzt hat: Sich stark für die Zukunft zu machen für ein faires Zusammenleben – vor Ort und in der Welt.

 

Kontakt

Euregio Gesamtschule Rheine

Ludwigstraße 37

48429 Rheine

Tel.: 05971/791160

E-Mail: info@euregio-gesamtschule-rheine.de

Website: https://www.euregio-gesamtschule-rheine.de/

 

Weitere Good-Practice-Beispiele für BNE an Schulen

Hier finden Sie Good-Practice-Beispiele einiger Schulen in NRW. Die Schulen besitzen ganz unterschiedliche Profile und Schwerpunkte. Doch eines ist allen gemein: BNE ist inzwischen zu einem festen Bestandteil ihres Schulalltags geworden.

Lassen Sie sich inspirieren